Recueil de coutumes et règles pour fixer les fêtes du calendrier hébreu, 15 Jh. ((c) Bibliothèque Nationale de France).

Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Jiddisch ist eine jüdische Sprache, die eng mit dem Deutschen verwandt ist. Das Jiddische klingt oft sehr vertraut, da es zuweilen dem Deutschen ähnelt. Manchmal ist Jiddisch für deutsche MuttersprachlerInnen aber unverständlich. Oder auf Jiddisch (in Transkription, da Jiddisch in hebräischen Buchstaben geschrieben wird): Yidish iz a yidish loshn vos kert zikh daytsh on a noenter korev/ hot a shaykhes tsu daytsh. Yidish klingt oft heymish, ven nit ven iz es enlekh tsu daytsh. Teylmol ken emetser vos daytsh iz zayn mame-loshn yidish nit maseg zayn.

Die Jiddistik beschäftigt sich mit der Literatur, Kultur und Sprache der jiddischsprachigen Juden vom Hochmittelalter in Zentraleuropa bis ins 21. Jahrhundert auf allen Kontinenten. Von einzelnen Notizen in mittelalterlichen hebräischen Handschriften bis hin zu aktuellen Netflixserien, von Youtube-Kochsendungen bis zu Abhandlungen über Einsteins zweiter Relativitätstheorie, von Ritterepen bis zum Musical, all das findet sich auf Jiddisch und wird von der Jiddistik erforscht.

Die Jiddistik wendet Methoden und Fragestellungen der modernen Literatur-, Kultur- und Sprachwissenschaften sowie anderer relevanten Disziplinen an und trägt zu diesen bei.

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Düsseldorf bietet die in Deutschland einzige Möglichkeit Jiddisch als eigenständiges Fach zu studieren. Im Bachelor kann Jiddistik im Nebenfach studieren. Ein eigenständiger Master in jiddischer Kultur, Sprache und Literatur ist offen für Studierende mit einem BA in einer Geisteswissenschaft und mit ausreichenden Sprachkenntnissen.

Die Jiddistik ist ein kleines Fach mit einem exzellenten Betreuungsschlüssel, der eine individuelle Förderung der Studierenden ermöglicht.

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Jiddisch wurde fast tausend Jahre in Deutschland gesprochen, gesungen, geschrieben und gedruckt. Trotzdem ist die reiche jiddische Kultur in Deutschland kaum bekannt. An wenigen Universitäten werden Sprachkurse angeboten, an noch weniger Universitäten gibt es weiterführende Seminare zu Kultur, Sprache oder Literatur. Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bietet als einzige Hochschule jiddistische Studiengänge an.

Jüdische Kultur wird im Allgemeinen nur beachtet insoweit sie als Teil einer Mehrheitskultur angesehen wird. Jüdische Kultur in internen Sprachen der Juden, wie dem Jiddischen, findet kaum Aufmerksamkeit. Das Sichtbarmachen dieser Kultur ist eine der Aufgaben der Jiddistik, jedoch können die wenigen Forscher und Übersetzer in Deutschland dies nicht alleine leisten. Eine Unterstützung von Seiten der Politik und Medien ist unabdingbar um den Erhalt der Jiddistik und das Wissen um die jiddische Kultur zukünftig in Deutschland zu sichern.

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Da Jiddisch eine Minderheitensprache ist, die in verschiedenen Mehrheitskulturen verortet war und ist, ist die Vernetzung mit anderen Fächern unabdingbar. Außerdem verlangt die Diversität der Quellen eine fächerübergreifende Herangehensweise.

An der Heinrich-Heine-Universität gibt es zum Beispiel eine enge Verbindung in Forschung und Lehre zu angrenzenden Fachgebieten wie den Jüdischen Studien, der Geschichte, Linguistik, Kunstgeschichte, den Philologien und den Comparative Studies.

Welche Bedeutung haben außeruniversitäre (Forschungs-)Institute für Ihr Fach?

Bibliotheken und Archive weltweit, die jiddische Bestände haben, sind von zentraler Bedeutung für die Jiddistik. Neben vereinzelten Digitalisaten im Open Access, gibt es Bestrebungen, bestimmte Sammlungen online zugänglich zu machen (z.B. die jiddischen Bestände der Universitätsbibliothek Frankfurt) oder sie als virtuelle Archive zu kreieren (z.B. Protokollbücher jüdischer Gemeinden in Europa in der frühen Neuzeit auf Hebräisch und Jiddisch). Dies erleichtert die Forschung und unterstützt die Lehre. Da Werke auf Jiddisch oft unzureichend katalogisiert wurden, sind in Archiven weltweit mögliche Schätze der Jiddistik verborgen.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Obwohl kleine Fächer gefährdet und jederzeit von der Schließung bedroht sind, stimmen uns die Entwicklungen der letzten Jahre positiv. Es gibt ein zunehmendes Interesse am Jiddischen und seiner reichen Geschichte, Kultur und Literatur. Die Forschung ist so reich wie nie. Die produktive Vernetzung mit anderen Fächern, die Digitalisierung und der Ausbau internationaler Zusammenarbeit bieten neue Möglichkeiten in Forschung, Lehre und Popularisierung.

Marion Aptroot ((c) Caspar Schnückel).

Marion Aptroot hat seit dem Jahr 1996 eine Professur für Jiddische Kultur, Sprache und Literatur an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf inne. Zuvor war sie unter anderem am Queen Mary and Westfield College der University of London und der Harvard University tätig. Zentrale Forschungsinteressen von Professor Aptroot sind die Jiddische Sprachgeschichte sowie die Jiddische Literatur der Frühen Neuzeit und der jüdischen Aufklärung. In einem aktuellen Forschungsprojekt widmet sie sich dem Thema „Intersektionale Identitäten im Alt-Jiddischen Roman: ‚Bovo d’Antona‘ und ‚Pariz un Vyene‘“. Neben vielen weiteren Mitgliedschaften und Gremientätigkeiten fungiert Professor Aptroot als Vorstandsmitglied des Verbands der Judaisten in Deutschland. Weitere Informationen