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Ihr Fach gehört zu den sogenannten kleinen Fächern. Bitte stellen Sie uns Ihr Fach in wenigen Sätzen vor.

Die Logopädie beschäftigt sich mit Sprach-, Sprech-, Stimm-, Hör- und Schluckstörungen. So werden in der Logopädie z.B. Kinder mit Störungen der Aussprache, der Grammatik oder des Satzbaus behandelt, Kinder oder Erwachsene mit Stimmproblemen oder Menschen, die nach einem Schlaganfall Sprach- oder Schluckstörungen haben können. Vor allem im höheren Alter kommen degenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder dementielle Erkrankungen hinzu, die eine logopädische Behandlung erforderlich machen, um die Kommunikations- und Schluckfähigkeit so lange wie möglich zu erhalten. In der Logopädie kommen Maßnahmen zur Prävention, Früherkennung und -förderung, Beratung, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation zum Einsatz. Logopädinnen und Logopäden arbeiten überwiegend selbstständig oder angestellt in ambulanten Praxen, sie sind aber auch in Akut- und Rehabilitationskliniken tätig sowie in Förderzentren oder Kindergärten. Über solche patientennahen Tätigkeiten hinaus arbeiten sie in der Lehre an Berufsfachschulen und in der Forschung und Lehre an Hochschulen.

Bereits 1926 forderte die Internationale Gesellschaft für Logopädie und Phoniatrie (IALP) eine universitäre Ausbildung für die Logopädie. 1962 wurde die erste Lehranstalt für Logopädie in Berlin gegründet. Mit dem 1980 verabschiedeten Gesetz über den Beruf des Logopäden (LogopG) wurde dann allerdings die Logopädie-Ausbildung auf Fachschulniveau angesiedelt und die Berufsbezeichnung „Logopäde/Logopädin“ geschützt. 1991 wurde der Studiengang Lehr- u. Forschungslogopädie an der RWTH Aachen eingeführt, der als erster Studiengang auf die Logopädie ausgerichtet war. 2001 folgte ein Fachhochschulstudiengang Logopädie an der HAWK Hildesheim. Mit dem Gesetz zur Einführung einer Modellklausel für die hochschulische primärqualifizierende Ausbildung wurden seit 2009 grundständige Modellstudiengänge in der Logopädie möglich. Mittlerweile gibt es zahlreiche Studiengänge der Logopädie, die primärqualifizierend, ausbildungsintegrierend, ausbildungsbegleitend oder berufsbegleitend stattfinden.

2012 hat auch der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen deutlich gemacht, dass hochschulisch ausgebildete Logopädinnen und Logopäden in der zunehmend komplexeren Gesundheitsversorgung immer wichtiger werden. Auch mit der fortschreitenden Technisierung und Digitalisierung im Gesundheitsbereich sind erweiterte Kompetenzen für die Ausübung einer Tätigkeit in der Logopädie notwendig geworden. Einen zentralen Stellenwert hat vor allem die klinische Entscheidungsfindung auf der Basis evidenzbasierten Arbeitens, für das eine Hochschulausbildung eine wesentliche Voraussetzung ist.

 

Welche Rahmenbedingungen an Ihrem Fachstandort wirken sich wesentlich auf Ihre Lehr- und Forschungspraxis aus? Wie beurteilen Sie diese?

Studiengänge der Logopädie finden sich sowohl an Fachhochschulen als auch an Universitäten. Bei primärqualifizierenden Studiengängen sind Praxiseinrichtungen in das Studium direkt eingebunden. Im ausbildungsintegrierenden Studiengang Logopädie der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg bestehen Kooperationen mit Berufsfachschulen für Logopädie, an denen die praktische Ausbildung stattfindet. In praxisbegleitenden Veranstaltungen erfolgen an der Hochschule eine wissenschaftliche Begleitung und Aufarbeitung der Praxiserfahrungen. Um die theoretische Ausbildung an der Hochschule und den Fachschulen gut miteinander zu verknüpfen, ist ein intensiver Austausch zwischen den Beteiligten der verschiedenen Lernorte essenziell.

An der OTH Regensburg gibt es an der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften neben Studiengängen der Sozialen Arbeit zahlreiche gesundheitswissenschaftliche Studiengänge wie Pflege, Hebammenkunde, Logopädie und Physiotherapie. Damit besteht ein breites Angebot an Studiengängen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen, das für die interdisziplinäre Lehre ebenso wie für die professionsübergreifende Zusammenarbeit im Forschungsbereich genutzt wird. Studierende können ihre Abschlussarbeiten durch Lehrende unterschiedlicher Disziplinen betreuen lassen und auch Themen bearbeiten, mit denen sie direkt an Forschungsprojekte der Lehrenden anknüpfen. Die Logopädie ist zudem im Regensburg Center of Health Sciences and Technology (RCHST) vertreten, in dem gemeinsame Forschungstätigkeiten von Gesundheits- und Sozialwissenschaften, Informatik und Medizintechnik gebündelt werden.

 

Was spricht Ihres Erachtens dafür oder dagegen, dass Ihr Fach in der Öffentlichkeit und innerhalb des deutschen Hochschulsystems angemessen wahrgenommen wird?

Auch wenn der Bekanntheitsgrad der Logopädie in der Öffentlichkeit zugenommen hat, ist die Vielfalt der Aufgabenbereiche nicht allen bekannt. Oft führen erst persönliche Erfahrungen dazu, dass die Logopädie als wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung wahrgenommen wird, wenn etwa eine Aussprachestörung des eigenen Kindes bemerkt wird oder ein Schlaganfall im familiären Umfeld vorliegt.

Im Hochschulsystem wird die Logopädie, wie auch die Physiotherapie und Ergotherapie, erst seit der Einführung der Modellklausel im Jahr 2009 stärker in den Blick genommen. Allerdings kommt der Wissenschaftsrat 2022 in der „HQGplus-Studie zu Hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitssystem – Update“ zu dem Ergebnis, dass es immer noch zu wenige primärqualifizierende Studiengänge in den Therapiewissenschaften gibt und diese bisher zu selten an Universitäten eingerichtet wurden. Dementsprechend gibt es weiterhin Bedarf, die Logopädie in der Hochschullandschaft generell und insbesondere an Universitäten zu etablieren.

 

Haben Sie den Eindruck, dass die Vernetzung mit anderen Fächern einen Mehrwert für Ihr Fach bedeutet? Welche Kooperationsformen sind in diesem Zusammenhang für Sie interessant und mit Blick auf Ihren Fachgegenstand besonders geeignet?

Die Logopädie hatte schon immer einen engen Bezug zu anderen Disziplinen, wie der Medizin, Sprachwissenschaft, Linguistik, Psychologie oder Pädagogik. Daraus ergeben sich bereits zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten für die interdisziplinäre Lehre und Forschung. Für die praktische logopädische Tätigkeit sind vor allem Kooperationen mit anderen Berufen des Gesundheits- und Sozialwesens wichtig, da eine adäquate Versorgung insbesondere komplexer Gesundheitsprobleme nur in einem interprofessionellen Team gelingen kann. Aber auch Disziplinen wie die Informatik werden für die Logopädie immer bedeutsamer, z.B. zur Entwicklung von Apps für das häusliche Übens von Patientinnen und Patienten oder die Durchführung von Videotherapien. Auch im Hinblick auf den demografischen Wandel sind Digitalisierung und Technologie wichtige Forschungsfelder für die Logopädie.

 

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Faches? Welche Entwicklungen und Herausforderungen zeichnen sich für Sie ab? Was wäre Ihres Erachtens für eine positive Entwicklung Ihres Fachs hilfreich?

Logopädinnen und Logopäden sind in der Berufspraxis stark nachgefragt. Gleichzeitig ist die Logopädie mit Prozessen der Disziplinbildung und Professionalisierung beschäftigt. International ist die Logopädieausbildung in weit überwiegendem Maße an Hochschulen angesiedelt. In verschiedenen Ländern kann man sogar erst mit einem Masterabschluss in der Logopädie tätig werden. Die Logopädie in Deutschland muss sich daher sowohl bei der Ausbildung als auch in der Forschung zügig weiterentwickeln, um den Anschluss an internationale Standards zu finden. Am besten wäre dies durch eine deutschlandweite hochschulische Ausbildung zu erreichen. Dies würde es ermöglichen, dass Logopädinnen und Logopäden die Kompetenzen erwerben können, die für eine zukunftsfähige Gesundheitsversorgung erforderlich sind. Hierzu gehört u.a. evidenzbasiertes Arbeiten, das nur auf der Basis wissenschaftlicher Kompetenzen erlernbar ist und damit unmittelbar an Hochschulen gehört. Außerdem ist es notwendig, die Forschung im Bereich der Logopädie voranzutreiben, um die Evidenzlage weiter zu verbessern. Hierzu gehören Programme zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses über Masterstudiengänge und erleichterte Promotionsmöglichkeiten ebenso wie spezifische Programme zur Forschungsförderung in den Therapiewissenschaften.

Norina Lauer ((c) Gudula Röttger)

Norina Lauer ist seit dem Sommersemester 2018 Professorin für Logopädie an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und leitet den Bachelorstudiengang Logopädie. Sie ist Mitglied im Regensburg Center of Health Sciences and Technology (RCHST) und führt Forschungsprojekte zur Digitalisierung in der Logopädie durch. In Ihren aktuellen Forschungsprojekten beschäftigt sie sich mit digitaler Teilhabe für Menschen mit Aphasie, Telerehabilitation und Tablet-gestützter Biographiearbeit. Sie ist u.a. Beiratsmitglied in Fachgesellschaften und Berufsverbänden der Logopädie sowie Mitherausgeberin der Buchreihe Forum Logopädie. Weitere Informationen